Mittwoch, 18. September 2013

Blogparade - "Wie klärst du dein Kind auf?"


Vor einiger Zeit habe ich schon einmal an der Blogparade von trainyabrain teilgenommen. Auch im September gibt es wieder eine und zwar zum Thema "Wie klärst du dein Kind auf?".
Da das im letzten dreiviertel Jahr bei uns ein riesen Thema war, habe ich beschlossen, mal wieder meinen Senf dazu zu geben.

Mein Sohn ist im besten "Warum-ist-das-so?"-Alter und als ich schwanger wurde, da kamen natürlich die Fragen auf. Wo ist das Baby? Wie kam es da rein? Wie kommt es da raus? Und warum das ganze?

Und schon mussten wir uns Gedanken darüber machen, wie man ein Kind im Kindergartenalter nun über das aufklärt, was sich in unserer Familie gerade eben ändert.
Doch was sollten Kinder in dem Alter schon wissen? Was ist kindgerecht? Und wenn nicht jetzt, wann dann?

Ich überlegte, wie es bei mir als Kind zuhause war. Wir wussten schon recht früh woher die Kinder kommen und auch, wie sie entstehen. Es wurde nie irgendetwas verniedlicht oder umschrieben, sondern immer beim Namen genannt.
Der Penis war der Penis und die Scheide war die Scheide. Bei uns gab es nie einen Pipi, Pillermann, Schniedl, eine Mumu oder Lulu und was für schöne Worte es noch für die Geschlechtsteile so gibt.
Das handhabten wir auch bei unserem Sohn bereits von Anfang an so.

Ich unterhielt mich mit meiner Mama darüber, wie sie uns aufgeklärt hat, was wir als Kind wann wussten und wie viel vielleicht auch zu viel ist.
Ich wurde aufgeklärt, als meine Mutter mit meinem Bruder schwanger war. Damals war ich knapp zwei Jahre alt. Ich wusste das Kind wächst im Bauch meiner Mutter. Es ist durch die Scheide hinein und wird auch durch diese wieder heraus kommen. Wie genau das Kind nun in den Bauch kam, erfuhr ich erst später.

Also entschieden wir uns dazu ehrlich zu sein. Wir sprachen unseren Sohn nicht explizit darauf an oder führten geplant Gespräche mit ihm. Sondern wir warteten einfach ab.
Schon recht bald nachdem er wusste, dass wir ein Baby bekommen, wollte er wissen wo es genau wächst. Ich zeigte ihm die Stelle meines Bauches wo das Baby zu dem Zeitpunkt in etwa war.
Und dann kamen die Fragen.
Manchmal viele auf einmal. Manchmal nur eine einzelne ganz plötzlich.
Über Monate der Schwangerschaft wuchs nicht nur mein Bauch, sondern auch das Wissen meines Sohnes darüber, wie es darin aussieht und warum das so ist.

Ich versuchte all seine Fragen so zu beantworten, dass er es auch verstand. Einfach und ehrlich.

Er wusste schon recht bald, dass ein Baby aus zwei Zellen entsteht. Eine Eizelle, die in meinem Bauch wohnt und eine Samenzelle, die Papa in meinen Bauch bringen musste. Er wusste, dass sich die Zellen treffen und verschmelzen. Dass sie sich teilen und wachsen. Dass ein Baby anfangs ganz seltsam aussieht und dann immer mehr zum Mensch wird. Dass es lange dauert, bis es groß genug ist, um wieder aus dem Bauch zu kommen. Dass es aus meiner Scheide kommen wird. Dass das sehr anstrengend ist. Dass ich dabei komische Geräusche machen werde oder vielleicht weine. Dass ich dazu eine Hebamme brauche, die mich unterstützt. Dass das Baby im Bauch im Fruchtwasser schwimmt und durch die Nabelschnur ernährt wird. Dass es mit einer Plazenta mit mir verbunden ist und bei der Geburt nicht nur das Baby, sondern auch die Plazenta aus mir heraus kommt. Und dass am Ende die Nabelschnur durchtrennt wird.

Bis heute hat er nicht gefragt, wie genau Papa seine Samenzelle in meinen Bauch gepflanzt hat.
Und deswegen weiß er es auch nicht.
Aber nach all den 1000 Fragen, die mal angenehmer und einfacher zu beantworten waren und mal unangenehmer und schwieriger, da bin ich recht entspannt und denke auch mit dieser Frage komme ich noch klar.

Mein Kind ist nun im Kindergarten und weiß so ziemlich alles über die Entstehung eines Kindes.
Bis vor einem Jahr etwa unterrichtete ich noch an öffentlichen Schulen. Und ich muss sagen, dass mein Sohn wahrscheinlich mehr über die genauen Vorgänge einer Schwangerschaft weiß, als so mancher Achtklässler.
Und wen wundert es da, dass ich in jedem meiner Schuljahre, die ich unterrichtet habe, ein schwangeres Mädchen in einer 7. bis 10. Klasse hatte.

Meine Schwester ist siebzehn und hatte in der Schule nie Sexualkunde. Es wurde dort nie über den Zyklus gesprochen. Nie die Entstehung eines Kindes thematisiert. Und nie über Verhütung aufgeklärt.
Wenn ich an meine eigene Schulzeit zurück denke, so kann ich mich noch lebhaft an die Stunde im Biologieunterricht erinnern. Wir sollten Sexualkunde haben und unsere Lehrerin begann mit dem weiblichen Körper. Wir sahen einen Film über Brustkrebs. Und nach 15 Minuten brach sie den Unterricht ab, weil die Jungen in der Klasse bei jedem Busen, der auf dem Bildschirm erschien, kichern mussten.
Wir erfuhren im Unterricht also nie mehr, als dass man als Frau Brustkrebs bekommen könnte.
Über Sexualkunde wurde nicht mehr geredet. Wir lernten dann etwas über Bäume.

Wenn es also die Schulen nicht machen, wer wenn nicht wir Eltern?
Ich war ein erstes Kind. Behütet und ganz sicher aufgewachsen. Der Fernsehkonsum wurde ganz strikt vorgegeben, Bücher suchte meine Mama gezielt aus. Wie es halt bei ersten Kindern so ist.
Mein erstes Wissen über Sexualität lernte ich durch meine Mutter und das Buch von Janosch "Mutter sag, wer macht die Kinder".  In den Kindergarten kam ich erst mit vier Jahren, da wusste ich wohl das meiste schon. Aber mit einem sehr harmlosen und kindlichen Wissen.
Mein Bruder war ein zweites Kind. Er bekam wohl auch irgendwann das Buch vorgelesen, aber er brachte vor allem schon viel Wissen aus dem Kindergarten mit. Sein Wortschatz umfasste mit fünf Jahren Wörter, die ich auch in der Grundschulzeit nie in den Mund genommen habe.
Das schöne F-Wort wurde zuhause mit besonderer Begeisterung am Esstisch losgelassen, um zu gucken welche Reaktion damit zu erzielen war.
Meine Schwester dann wurde natürlich vor allem durch mich und meinen Bruder aufgeklärt. Sie wusste sehr früh was Sache ist und zwar im Detail. Wir machten uns als Kinder einen riesen Spaß daraus ihr "verbotene" Wörter beizubringen und sie enttäuschte uns nie.
Mit 4 oder 5 Jahren saß sie am Esstisch und fragte ganz unschuldig: "Mama, wer liegt beim ficken eigentlich oben?"
Meine Mutter reagierte bei dem Thema übrigens immer sehr cool. Sie beantwortete ihre Frage mit einem einfachen: "Das ist unterschiedlich. Mal die Frau und mal der Mann. Und "ficken" möchte ich am Tisch nicht hören!"
Unser in solchen Situationen meistens anwesender Besuch (denn ohne Zuschauer macht das ja keinen Spaß) saß dann meist mit offenem Mund am Tisch und vergaß ein paar Minuten das Essen.

Im Nachhinein finde ich es gut, wie meine Eltern mit dem Thema umgegangen sind. Es wurde nie ein riesen Wind darum gemacht. Aber auch nie zum Tabu erklärt. Ernsthafte Fragen wurden uns zu jeder Zeit ehrlich und einfach beantwortet. Provokationen von uns wurden meist ignoriert oder eben bestimmte Wörter abgelehnt und uns dafür eine Alternative gegeben.

Klar, als ich in die Pubertät kam, da gab es dann auch eines dieser peinlichen "Weißt-du-alles-was-du-wissen-musst?-Gespräche" mit meiner Mama, als ich meinen ersten Freund kennen lernte.
Aber das ist wohl ganz normal.

Auf die Schulen kann man bei dem Thema nicht bauen. Oft wird das Thema komplett übersprungen oder nur schnell und peinlich berührt angeschnitten.
Es bleibt also an den Eltern die Kinder aufzuklären.
Und da denke ich sollten sich alle Eltern genau Gedanken darüber machen.
Wie schnell erzählt man Kindern, weil einem die Frage unangenehm ist, irgendwelchen Schmarrn.

Meine beiden jüngsten Schwestern haben eine andere Mutter.
Als ich mit meinem Sohn schwanger war, saß meine damals 2,5-jährige Schwester auf meinem Schoß und hatte Fragen. Ich antwortete ganz einfach und ehrlich.
Wenig später erfuhr ich, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, dass Kinder im Bauch wachsen.
Meine Stiefmutter hatte ihr bisher erzählt, dass der Storch die Kinder bringt.
Es folgten dann natürlich ein paar Wochen mit "unangenehmen" Fragen, da sie jetzt nun alles ganz genau wissen wollte.
Aus lauter Peinlichkeit wurde ihr dann damals erklärt, dass die Kinder von einem Arzt mit dem Messer aus dem Bauch geschnitten werden.
Meine Schwester glaubt noch heute, dass der einzige Weg ein Kind zu bekommen ein Kaiserschnitt ist.
Was also wird sie erwarten, wenn sie als Erwachsene selbst ein Kind erwartet?
Wird sie dieses erste Wissen so prägen, dass sie eine natürliche Geburt gar nicht in Betracht zieht?
Was für einen Einfluss wird es auf ihre eigene Schwangerschaft und Geburt haben, wenn sie erst im Erwachsenenalter erfährt, dass Kinder eigentlich aus der Vagina geboren werden?

Aufklärung beginnt nicht erst mit einem peinlichen und unangenehmen Gespräch zu Beginn der Pubertät, bei dem die Eltern rot werden und nicht wissen was sie sagen sollen und die Kinder gar nicht zuhören wollen, weil sie lieber im Boden versinken würden.
Aufklärung beginnt schon in dem Moment, wo mein Kleinkind bemerkt, dass Mama und Papa unterschiedlich sind.
Aufklärung beginnt, wenn ich meinem Kind sage, wie sein Geschlechtsteil heißt. Wenn ich mit ihm thematisiere, dass es ein Junge oder ein Mädchen ist. Wenn es feststellt, dass die Geschlechter unterschiedlich sind.

Aufklärung ist ein Prozess und wie viel ein Kind wann lernt, sollte man vielleicht einfach vom Wissensdurst des Kindes abhängig machen.

Peinliche Situationen mit Kindern kann man nicht vermeiden.
Auch mein Sohn schaffte es schon mir bei diesem Thema die Schamesröte ins Gesicht zu treiben.
Wir standen im Supermarkt. Ich bücke mich und stöhne, weil mir der inzwischen wachsende Bauch im Weg ist. Er schaut mich an, dann die Frau neben uns und erklärt ihr:
"Meine Mama hat ein Baby im Bauch! Das muss wachsen und dann kommt es raus! Durch ihre Scheide! Die ist da!" Und deutet zwischen meine Beine.
Aber um noch einen drauf zu setzen, ergänzt er dann ganz lapidar:
"Aber dann müssen wir noch warten, bis die Plazenta rausgekommen ist. Erst dann kann ich die Nabelschnur durchschneiden!"
Die Dame schaute doch recht irritiert, erst zu ihm, dann zu mir.

Jap. Mein Kind ist ein Klugscheißer.
Aber zumindest weiß er, wie es eigentlich läuft.
Dieses erste selbstverständliche und natürliche Wissen, was Kinder anhäufen, prägt sie meiner Meinung nach ganz gewaltig.
Und vieles was wir als Kinder nicht oder falsch lernen, prägt auch unsere Sicht als Erwachsene.
Klar können wir dann reflektieren und uns auch bewusst machen, dass manche Dinge anders sind, als wir dachten.
Aber wird ein Kind, was in seinem kindlichen Wissen immer glaubt, dass man für eine Geburt einen Arzt mit Messer braucht, später mit einem natürlichen Selbstverständnis eine spontane Geburt planen?
Wird ein Kind, dem von Anfang an vermittelt wird, dass Sexualität etwas Schlechtes, Schmutziges oder Unangebrachtes ist, später, wenn es wichtige Fragen hat, diese auch stellen?

Ist es nicht unsere Verantwortung als Eltern unsere Kinder zu einem selbstbewussten Umgang mit ihrem Körper zu erziehen?
Und gehört dazu nicht auch, der natürliche und ungezwungene Umgang mit der Sexualität?

Ich weiß nicht, wann die Frage kommen wird und ich weiß auch noch nicht, wie ich sie beantworten werde.
Es gibt da wohl keinen Masterplan.
Aber ich werde es weiterhin so halten wie bisher.
Jede Frage wird beantwortet.
Ehrlich, in einfachen Worten, so dass er es versteht.
Aber nicht jede Frage wird an Ort und Stelle und sofort beantwortet.
Im Supermarkt an der Kasse vor 10 Leuten werde ich auch weiterhin nicht antworten, wenn mein Sohn provokativ fragt: "Mama, hast du eine Scheide oder einen Penis?"
"Das erkläre ich dir zuhause!"

1 Kommentar:

  1. Ich finde es klasse, dass ihr so unverkrampft über das Thema mit euren Sohn sprecht. Ich war etwas schockiert, dass der Sexualkunde-Unterricht heute so wenig thematisiert wurde. Bin 24 und kann mich noch dunkel erinnern, dass wir die Sekundärmerkmale, weiblicher Zyklus und Verhütungsmethoden durchgenommen hatten. Ich frag mich aber echt, wie viel davon hängen bleibt. Beispielsweise kenne ich einen Vater, der erst beim Windeln seiner Tochter erfahren hat, dass bereits bei Geburt alle Geschlechtsmerkmale ausgebildet sind. Er dachte bis dahin, dass das erst während der Pubertät geschieht. Ich frage mich echt, was das für eine komische Gesellschaft ist. Auf der einen Seite sieht man überall Sex und Nacktheit in Funk und Fernsehen, es werden über Sexpraktiken ganze Bücher gelesen und Filme produziert. Und auf der anderen Seite schämen sie sich, in einfachen Worten den Vorgang des Lebens zu schildern (bezogen auf die Sache mit dem Klapperstorch). Ich finde es wirklich bewundernswert, wie ihr damit umgeht. Weiter so!

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